In den letzten ca. 80 Jahren hat ein Wandel in der Ausbildung der Pferde und Reiter stattgefunden. Alte Werte und Grundsätze wurden nach und nach über Bord geworfen um die Reiterei im Sinne eines Breitensports einem größeren Publikum zugänglich zu machen. 

 

Früher wurde ein Pferd erst mit 4 oder 5 Jahren angeritten und ging danach in die Remontenschule. Das bedeutete 1 Jahr junge Remonte, den Kopf und Hals in einer natürlich gehaltenen hohen Position um das Gleichgewicht mit Reiter wiederzufinden, und auch im zweiten Ausbildungsjahr fand keine Beizäumung über die forcierende Reiterhand statt. Die Beizäumung entwickelte sich erst später über die mobilisierenden Seitengänge. Denn erst über die geschmeidigen und gekräftigten Muskel- und Faszienketten der Hinterhand, die über den gesamten Pferdekörper bis zum Hinterhauptbein laufen, ist eine korrekte Beizäumung möglich. Das ist was man von Hinten nach Vorne Reiten nennt. Und das braucht Zeit!

 

Diese Zeit fehlt heute, vergleichbar mit einer Fast-Food-Reiterei. Das Pferd wird nicht mehr von hinten nach vorne geritten und ausgebildet, sondern von vorne mit der Hand manipuliert in eine Zwangshaltung gebracht (in der es sich nicht mehr wehren kann: Vorwärts-Abwärts, Low-Deep-Down und Rollkur) um schneller ans Ziel zu kommen.

 

Viele nennen heute Ihre Reiterei "klassische Dressur" obwohl Sie sich nicht mehr an den Grundsätzen des von Hinten nach Vorne Reitens orientieren.

In unserer jetzigen schnelllebigen Zeit ist es den meisten von uns kaum möglich sich diese Zeit zu nehmen. Wir sind es den Pferden aber schuldig um zu denken, sie mit Respekt, der nötigen Geduld zu behandeln und ihnen Zeit zu geben das zu verstehen was wir von ihnen möchten.

 

Wenn wir also in den Stall gehen, sollte dies mit aller größter Aufmerksamkeit und Bewusstheit geschehen, um zu würdigen was uns die Pferde bereits seit vielen Jahrhunderten, ja Jahrtausenden schenken, ihre Loyalität, ihre Kraft und Anmut.

 

Das Pferd ist kein Sportgerät und auch nicht unser Sklave mit Erfüllungszwang. Wenn wir dies verstehen kommen wir automatisch zur dem Wunsch der Findung des Gleichgewichtes, physisch wie psychisch und der wahren Klassischen Dressur, der Reitkunst.

 

Die Übereinstimmung der Balance von Pferd und Reiter.

 

Ulrike Marsch